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Die besondere
Rarität:
Das zur
Berliner 750-Jahrfeier
erschienene
Insider-Kultbuch
von
Peter Lenk
Berliner
RODEO
Format
13 x 20 cm
128 Seiten
mit mehr
als 30 s/w-Fotos
Der bibliophile
Leckerbissen:
Nicht nur für
Büchernarren,
auch
ideal als
Geschenk
für Kunstliebhaber
und Florenz-
Begeisterte:
Wolfgang
von Löhneysen
SAVONAROLAS
heimliche
Zeitgenossen
mit 15 ausgewählten
ganzseitigen
Farbillustrationen
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Insider-Kultbuch von
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Der bibliophile
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Nicht nur für
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Wolfgang
von Löhneysen
SAVONAROLAS
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ganzseitigen
Farbillustrationen
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Friedensreich
Hundertwasser-Verschimmelungs-Manifest
1958
Die Malerei und die Skulptur sind jetzt frei, denn jedermann darf heute
allerlei Gebilde produzieren und nachher ausstellen. In der Architektur
besteht jedoch diese grundsätzliche Freiheit, die als Bedingung jeder
Kunst anzusehen ist, noch immer nicht, denn man muß ein Diplom haben, um
bauen zu können. Warum? Jeder soll bauen können, und solange diese
Baufreiheit nicht existiert, kann man die gegenwärtige, geplante
Archtitektur überhaupt nicht zur Kunst rechnen. Was realisiert ist, sind
einzeln dastehende erbärmliche Kompromisse von Linealmenschen mit
schlechtem Gewissen!
Man sollte den Baugelüsten des einzelnen keine Hemmungen auferlegen! Jeder
soll bauen können und bauen müssen und so die wirkliche Verantwortung
tragen für die vier Wände, in denen er wohnt. Man muß das Risiko mit in
Kauf nehmen, daß so ein tolles Gebäude nachher zusammenfällt, und man darf
sich vor Menschenopfern nicht scheuen, die diese Bauweise erfordert,
vielleicht erfordert. Es muß endlich aufhören, daß Menschen ihr Quartier
beziehen wie Hendeln und die Kaninchen ihren Stall.
Wenn so ein von den Bewohnern nach eigenen Baugelüsten selbstgebautes
tolles Gebilde zusammenfällt, so kracht es ja meist ohnehin vorher, sodaß
man flüchten kann. Der Mieter wird jedoch von da an kritischer und
schöpferischer den Gehäusen gegenüberstehen, die er bewohnt, und er wird
mit eigenen Händen die Wände und Pfeiler verdicken, falls sie ihm zu
zerbrechlich scheinen.
Die materielle Unbewohnbarkeit der Elendsviertel ist der moralischen
Unbewohnbarkeit der funktionellen, nützlichen Architektur vorzuziehen. In
den sogenannten Elendsvierteln kann nur der Körper des Menschen zugrunde
gehen, doch in der angeblich für den Menschen geplanten Architektur geht
seine Seele zugrunde. Daher ist das Prinzip der Elendsviertel, das heißt
der wild wuchernden Architektur, zu verbessern und als Ausgangsbasis zu
nehmen und nicht die funktionelle Architektur.
Die funktionelle Architektur hat sich als Irrweg erwiesen, genauso wie die
Malerei mit dem Lineal. Wir nähern uns mit Riesenschritten der
unpraktischen, der unnutzbaren und schließlich der unbewohnbaren
Architektur.
Die große Wende, für die Malerei der absolute tachistische Automatismus,
ist für die Architektur die absolute Unbewohnbarkeit, die uns noch
bevorsteht, da die Architektur um dreißig Jahre nachhinkt.
So wie wir heute schon, nach Überschreitung des totalen tachistischen
Automatismus, die Wunder des Transautomatismus erleben, so werden wir erst
nach Überwindung der totalen Unbewohnbarkeit und der schöpferischen
Verschimmelung das Wunder einer neuen, wahren und freien Architektur
erleben. Da wir jedoch die totale Unbewohnbarkeit noch nicht hinter uns
haben, da wir uns leider noch nicht im Transautomatismus der Architektur
befinden, müssen wir vorerst einmal die totale Unbewohnbarkeit, die
schöpferische Verschimmelung in der Architektur so rasch wie möglich
anstreben.
Ein Mann in einem Mietshaus muß die Möglichkeit haben, sich aus seinem
Fenster zu beugen und – so weit seine Hände reichen – das Mauerwerk
abzukratzen. Und es muß ihm gestattet sein, mit einem langen Pinsel – so
weit er reichen kann – alles rosa zu bemalen, so daß man von weitem, von
der Straße, sehen kann: Dort wohnt ein Mensch, der sich von seinen
Nachbarn unterscheidet, dem zugewiesenen Kleinvieh! Auch muß er die Mauern
zersägen und allerlei Veränderungen vornehmen können, auch wenn dadurch
das architektonisch-harmonische Bild eines sogenannten Meisterwerkes der
Architektur gestört wird, und er muß sein Zimmer mit Schlamm oder
Plastilin anfüllen können.
Doch im Mietvertrag ist dies verboten!
Es ist an der Zeit, daß die Leute selbst dagegen revoltieren, daß man sie
in Schachtelkonstruktionen setzt, so wie die Hendeln und die Hasen in
Käfigkonstruktionen, die ihnen wesensfremd sind.
Eine Käfigkonstruktion oder Nützlichkeitskonstruktion ist ein Gebäude, das
allen drei Kategorien von Menschen wesensfremd bleibt, die damit zu tun
haben!
Der Architekt hat keinerlei Beziehung zum Gebilde. Selbst wenn er das
größte Architekturgenie ist, so kann er doch nicht voraussehen, welcher
Art der Mensch ist, der darin wohnen wird. Das sogenannte menschliche Maß
in der Architektur ist ein verbrecherischer Betrug. Besonders dann, wenn
dieses Maß als Mittelwert aus einem Gallupsystem hervorgegangen ist.
Der Maurer hat keinerlei Beziehung zum Gebilde. Wenn er beispielsweise
eine Mauer nur etwas anders, nach seinen persönlichen Auffassungen, falls
er welche hat, gestalten will, so verliert er seine Arbeit. Und außerdem
ist es ihm ja ganz egal, da er ja nicht in dem Gebilde wohnen wird.
Der Bewohner hat keinerlei Beziehung zum Gebilde. Weil er es ja nicht
gebaut hat und er nur eingezogen ist. Seine menschlichen Notwendigkeiten,
sein menschlicher Raum ist sicherlich ein ganz anderer. Und dies bleibt
aufrecht, selbst wenn sich Architekt und Maurer bemühen, genau nach den
Angaben des Bewohners und Bestellers zu bauen.
Nur wenn Architekt, Maurer und Bewohner eine Einheit sind, das heißt ein
und dieselbe Person, kann man von Architektur sprechen. Alles andere ist
keine Architektur, sondern eine verbrecherische gestaltgewordene Tat.
Architektur – Maurer – Bewohner sind eine Dreieinigkeit genau wie
Gottvater – Sohn – Heiliger Geist. Man beachte die Ähnlichkeit, quasi die
Identität der Dreieinigkeiten. Geht die Einheit Architekt – Maurer –
Bewohner verloren, so gibt es keine Architektur, so wie die jetzt
fabrizierten Gebilde nicht als Architektur anzusehen sind. Der Mensch muß
seine kritisch-schöpferische Funktion wieder einnehmen, die er verloren
hat und ohne die er aufhört, als Mensch zu existieren!
Verbrecherisch ist auch die Benützung des Lineals in der Architektur, das,
wie leicht zu beweisen ist, als Instrument des Zerfalls der
architektonischen Dreieinigkeit anzusehen ist.
Schon das Bei-sich-tragen einer geraden Linie müßte, zumindest moralisch,
verboten werden.
Das Lineal ist das Symbol des neuen Analphabetismus. Das Lineal ist das
Symptom der neuen Krankheit des Zerfalls.
Wir leben in einem Chaos der geraden Linien, in einem Dschungel der
geraden Linien. Wer dies nicht glaubt, der gebe sich einmal die Mühe und
zähle die geraden Linien, die ihn umgeben, und er wird begreifen; denn er
wird niemals zu einem Ende gelangen.
Auf einer Rasierklinge habe ich 546 gerade Linien gezählt. Durch die
lineare und imaginäre Verbindung zu einer zweiten Rasierklinge derselben
Produktion, die sicher haargenau so aussieht, ergeben sich 1090 gerade
Linien, und wenn man die Verpackung dazuzählt, an die 3000 gerade Linien
derselben Rasierklinge.
Vor nicht allzulanger Zeit war der Besitz der geraden Linie ein Privileg
der Könige, der Begüterten und der Gescheiten. Heute besitzt jeder Depp
Millionen von geraden Linien in der Hosentasche.
Dieser Urwald der geraden Linien, der uns immer mehr wie Gefangene in
einem Gefängnis umstrickt, muß gerodet werden.
Der Mensch hat bisher immer noch die Dschungel gerodet, in denen er sich
befand, und sich befreit. Allerdings muß er sich erst dessen bewußt
werden, daß er sich in einem Dschungel befindet, denn dieser Dschungel hat
sich schleicherisch gebildet, ohne daß die Bevölkerung davon etwas weiß.
Und diesmal ist es ein Dschungel der geraden Linien.
Jede moderne Architektur, bei der das Lineal oder der Zirkel auch nur eine
Sekunde lang – und wenn auch nur in Gedanken – eine Rolle gespielt hat,
ist zu verwerfen. Gar nicht zu reden von der Entwurfs-, Reißbrett- und
Modellarbeit, die nicht nur krankhaft steril, sondern widersinnig geworden
ist. Die gerade Linie ist gottlos und unmoralisch. Die gerade Linie ist
keine schöpferische, sondern eine reproduktive Linie. In ihr wohnt weniger
Gott und menschlicher Geist als vielmehr die bequemheitslüsterne,
gehirnlose Massenameise.
Die Gebilde der geraden Linie, auch wenn sie sich noch so krümmen, biegen,
überhängen und sogar durchlöchern, sind somit hinfällig. Das ist alles
Anschlußpanik, ist die Angst der konstruktiven Architekten, nur ja
rechtzeitig umzuwechseln.
Wenn sich an einer Rasierklinge der Rost festsetzt, wenn eine Wand zu
schimmeln beginnt, wenn in einer Zimmerdecke das Moos wächst und die
geometrischen Winkel abrundet, so soll man sich doch freuen, daß mit den
Mikroben und Schwämmen das Leben in das Haus einzieht und wir so mehr
bewußt als jemals zuvor Zeugen von architektonischen Veränderungen werden,
von denen wir viel zu lernen haben.
Die verantwortungslose Zerstörungswut der konstruktiven funktionellen
Architekten ist bekannt. Sie wollten die schönen Häuser mit Stuckfassaden
der neunziger Jahre und des Jugendstils einfach abreißen und ihre leeren
Gebilde hinpflanzen. Ich weise auf Le Corbusier, der Paris dem Erdboden
gleichmachen wollte, um geradlinige Monsterkonstruktionen hinzusetzen. Um
Gerechtigkeit zu üben, müßte man jetzt die Gebilde von Mies van der Rohe,
Neutra, Bauhaus, Gropius, Johnson, Le Corbusier usw. auch abreißen, da sie
seit einer Generation veraltet und moralisch unerträglich geworden sind.
Die Transautomatisten und alle, die sich jenseits der unbewohnbaren
Architektur befinden, verfahren jedoch humaner mit ihren Vorgängern. Sie
wollen nicht mehr zerstören.
Um die funktionelle Architektur vor dem moralischen Ruin zu retten, soll
man auf die sauberen Glaswände und Betonglätten ein Zersetzungsprodukt
gießen, damit sich dort der Schimmelpilz festsetzen kann.
Es ist an der Zeit, daß die Industrie ihre fundamentale Mission erkennt,
und die ist: schöpferische Verschimmelung betreiben!
Es ist jetzt Aufgabe der Industrie, bei ihren Spezialisten, Ingenieuren
und Doktoren ein moralisches Verantwortungsgefühl gegenüber der
Verschimmelung hervorzubringen. Dieses moralische Verantwortungsgefühl
gegenüber der schöpferischen Verschimmelung und der kritischen
Verwitterung muß schon im Erziehungsgesetz verankert sein.
Nur die Techniker und Wissenschaftler, die imstande sind, im Schimmel zu
leben und Schimmel schöpferisch zu erzeugen, werden die Herren von morgen
sein.
Erst nach der schöpferischen Verschimmelung, von der wir viel zu lernen
haben, wird eine neue und wunderbare Architektur entstehen.
Zusatz 1959
Die heutige Architektur ist kriminell steril. Denn fatalerweise hört
jegliche Bautätigkeit in dem Augenblick auf, in dem Menschen "ihr Quartier
beziehen", wo doch normalerweise die Bautätigkeit nach Einzug des Menschen
überhaupt erst beginnen sollte. Wir werden so unerhörter Weise durch
Schanddiktate unserer Menschlichkeit beraubt und auf verbrecherische Art
gezwungen, nichts an der Fassade, Anlage, an den Innenräumen weder in
Farbe noch Struktur oder Mauerwerk zu ändern oder hinzuzufügen. Selbst
Eigentumswohnungen unterliegen der Zensur (siehe Verordnungen der
Baubehörde und Statuten des Mietvertrages). Das Charakteristische eines
Gefängnisses, Käfigs oder Stalles ist eben der a priori fertiggestellte
Bau, der endgültige Abbruch der Bautätigkeit vor Einzug des Tieres oder
des Gefangenen in für ihn wesensfremde Gebilde, verbunden mit dem
kategorischen Zwang für den Insassen, an "seinem" aufoktroyierten Gehäuse
nichts zu ändern.
Denn die wahrhafte Architektur entsteht durch normale Bautätigkeit, und
diese normale Bautätigkeit ist das organische Wachstum einer Hülle um eine
Gruppe von Menschen. Dieses Bauwachstum verhält sich genauso wie das
Wachstum des Kindes und des Menschen. Der absolute Schlußstrich unter die
Bautätigkeit eines Gebildes ist nur bei Monumenten und unbewohnbaren
Architekturen bedingt tragbar.
Falls das Gebilde jedoch dazu bestimmt ist, Menschen in seinem Inneren zu
beherbergen, so ist der absolute Abbruch der Bautätigkeit vor Einzug des
Menschen als widernatürliche Sterilisierung des Wachstums und somit als
kriminelles Vergehen zu betrachten und zu ahnden.
Der Architekt, wie wir ihn heute kennen, hat nur das Recht, unbewohnbare
Architekturen zu bauen, falls er überhaupt dazu fähig ist. Bewohnbare
Architekturen zu bauen, unterliegt nicht seiner Kompetenz, und dies muß
ihm entschieden verwehrt werden, wie man auch notorische Giftmischer und
Massenausrotter nicht frei hantieren läßt.
Denn die jetzt vielgepriesene architektonische Vorplanung von Wohnstätten
ist nichts anderes als gelenkter Massenmord durch vorsätzliche
Sterilisierung. Es genügt ein Gang durch eine europäische Stadt, besonders
aber durch ein neuerbautes Stadtviertel, um diese erschütternde Anklage
für jedermann beweiskräftig zu machen.
Nur eine Idee von beispielgebenden gesunden Architekturen der Jetztzeit,
und diese Liste ist leider beschämend klein:
Die Gebäude von Gaudí in Barcelona.
Gewisse Gebilde des Jugendstils.
The Tower of Watts von Simon Rodia in einem Vorort von Los Angeles.
Le Palais Du Facteur Cheval im Departement de la Drôme, Frankreich.
Die Elendsviertel, die sogenannten "Schandflecke" jeder Stadt (Slums,
Taudis, Quartiere in Salubres).
Die Bauernhäuser und Häuser der Primitiven, falls sie jetzt noch wie
früher mit den Händen geformt werden.
Die Schrebergartenhäuser der Arbeiter.
Die Wandbearbeitungen in Klosetts.
Holländische Hausboote.
Bauten des Architekten Christian Hunziker, Genf, und weniger anderer.
Zusatz 1964
Architekten dürfen nur die Funktion von technischen Beratern ausüben, das
heißt Fragen über Stabilität etc. beantworten; müssen jedenfalls aber dem
Bewohner beziehungsweise den Wünschen der Bewohner untergeordnet sein.
Jeder Bewohner muß Zugang zu seiner "Außenhaut" haben, das heißt, auch die
zur Straße gekehrte Hülle seiner Behausung gestalten dürfen. |