Raumspiel II

5/2001
Ölkreide, Acryl, Papier auf Nessel
180 x 200 cm


 


Werner Brunner

Schon ein sagenhafter Start: Das "Dritte Reich" biegt gerade in die letzte Kurve und wird den Zielstrich doch nicht erreichen. 1941 ist er geboren, als uneheliches Kind eines Schmieds und Bürgermeisters, hoch oben in den Bergen bei Oberammergau. Alle zehn Jahre kreuzigen sie dort einen anderen Vaterlosen. Auch Werners Vater kontrolliert den Heranwachsenden nur aus der Ferne und bekennt sich erst spät zu seiner Vaterschaft. Dann aber mit Vehemenz; der Bub soll Schmied werden (und Bürgermeister?)!
Die zu junge Mutter verläßt die Alpen, verläßt das Kind. Werner lernt sie nicht kennen. Werner flieht ins Tiefland, flieht zur Bundeswehr, will Flieger werden, geht nach Berlin und will Sozialist, Architekt und Archäologe sein. Maler wird er. "Hoch, höher, am höchsten."
Das mußte ja so kommen! Mythen malt er, Architektur und Nietzsche. Atlas stemmt die Erde, Archen schaukeln im Wörtermeer, Ikarus und andere Flieger trudeln vom Himmel. Da kann er nicht anders. Stützen stemmen sich gegen Bildwände, an Zeitungskopien klebt Wirklichkeit, am Linnen hängen Wortfetzen, Wortreste, oft auch Parolen und Zitate. Wachs, Teer, Sand und Öl verarbeitet er auf Leinwand und Holzplatten. Er kratzt und ritzt, stanzt Löcher.


Werner Brunner untersucht das Material als wäre es das erste Mal. Seine Neugier gilt nicht nur dem Thema. Er nimmt ein strenges Format, oft quadratisch, und dann malt er nicht bis zum Rand, sondern hört vorher auf, oder malt einen Rand vor dem Rand.

1941 geboren in München
Schmied in Oberammergau
Flugzeugmechaniker
Architekt und Dipl. Ing.
der Stadt-und Regionalplanung,
als Architekt in der archäologischen
Bauforschung tätig,
1977 Beginn der freien Malerlaufbahn
und Mitbegründer
der Künstlergruppe Ratgeb
Ab 1985 Atelier Oranienstraße 19 a,
Berlin-Kreuzberg
Zahlreiche Wandmalprojekte
in Berlin und Frankreich
1996 Autor des Buches:
Verblichene Idyllen — Wandmalerei
im Berliner Mietshaus
der Jahrhundertwende
.

Werner Brunner
Atelier
Oranienstraße 19a
10999 Berlin
Tel. 030 / 6 15 33 6
0

 

Eine Auswahl der Ausstellungen
und Beteiligungen

1987     Salon Montrouge, Paris (Beteiligung)

1988     Städtische Galerie Schloß Oberhausen

1989     Armut in der Malerei und Plastik,
Wanderausstellung der EU-Kommission in Düsseldorf, Luxemburg, Brüssel, Mainz (Beteiligung)

1990     Zweitakt, Pavillon am Fernsehturm,
Berlin-Mitte (Beteiligung)

1990     4 Jahre Atelier Oranienstraße 19a,
Künstlerhaus Bethanien, Berlin
(Beteiligung)

1990     200 Jahre Brandenburger Tor,
Märkisches Museum/Grundkreditbank, Berlin
(Beteiligung)

1993     Europa ohne Mauer, Manchester City Art Galleries,
Manchester (Beteiligung)

1994     Künstler für Kinder: Wim Wenders Benefiz-Ausstellung,
Akademie-Galerie im Marstall,
Berlin-Mitte (Beteiligung)

1996     Und dann und wann ein weißer Elefant,
Kleine Orangerie Schloß Charlottenburg, Berlin

1997     Behaust sein, Galerie im Körnerpark, Berlin-Neukölln

1999     Wereld als woning — Welt als Wohnung,
Kunstpaleis — Centrum bildende Kunst,
Deventer (NL)

2000     Artistenmetaphysik —
Friedrich Nietzsche in der Kunst der Nachmoderne,
Haus am Waldsee, Berlin (Beteiligung)

Dann bricht die Malfläche in Stücke, driftet auseinander und wird nur noch vom Motiv zusammengehalten. Auflösung, Zerstörung und Untergang sind Bildaussage seiner Malerei. Eher nebenher sind sie auch Thema. Werner Brunner ist ein Maler aus der Literatur heraus, will sagen: er braucht, um zu malen, weniger Alltagserfahrungen als deren Verdichtung in Büchern, Gazetten und Zeitungen. So einen trifft man im Kaffeehaus. Aber er ist kein Literat, auch kein verkappter oder verhinderter. Werner Brunner ist Maler, ein Maler mit Lesebrille. Hier ist wäre zwar genug Platz, um seine Bilder zu beschreiben, aber Bildanalysen sind Sekundärliteratur, und so was macht ein "anständiger" Autor nicht. Darum nur noch das: vordergründig ist Werner Brunners Werk voller Ideen und Einfälle, diese Frische steht seinem Alter gut an. Erfahrung hat er natürlich viel, in der Kunst ist sie ohne Handwerk und Talent nichts wert, doch ist ihm auch das im Übermaß gegeben. Gleichwohl wirkt dieser Reichtum an Ideen, Erfahrung und Talent seltsam konzentriert. Trotz der Fülle kreisen seine Bildaussagen um einen Kern. Sein lebendiges Werk besitzt Gravitation. Es deutet auf eine Mitte. Was ist sein Thema?

Textauszug von Christian Duda


Versinken im Pontok 5/1995,
Öl, Gips, Asphaltlack, Papier auf Nessel,
180 x 180 cm

 


 

 

 

 

 


 


 

 

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